Die vier großformatigen Einladungskarten von Maria Eichhorn (*1962) dokumentieren eine Reihe von fünf Einzelausstellungen der Künstlerin, die von 1995 bis 2011 stattgefunden haben. Die Serie der Einladungskarten beginnt dabei erst mit der zweiten Ausstellung im Jahr 1997. Während die ersten vier Ausstellungen in zeitlich kurzen Abständen von circa zwei Jahren in der Galerie Barbara Weiss gezeigt wurden, greift die letzte Ausstellung von 2011 für den Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg das Konzept nach zehn Jahren wieder auf und knüpft – mehr im Sinne einer Dokumentation als einer tatsächlichen Weiterführung – an die Serie der Ausstellungen und Einladungskarten an.
Für die Vorderseite ihrer Einladungskarten entwickelt Maria Eichhorn ein visuelles System, das mithilfe von verschiedenfarbigen Unterstreichungen aufzeigt, welche Werke in welchen Ausstellungen zu sehen waren beziehungsweise zu sehen sein werden. So listet beispielsweise die erste Einladungskarte, produziert für die Ausstellung des Jahres 1997 alle Werke, die bereits in der ersten Ausstellung 1995 gezeigt wurden. Werke, die nur 1995 zu sehen waren, sind hellblau unterstrichen. Die lila-farbenen Unterstreichungen zeigen hingegen an, dass das jeweilige Werk sowohl 1995 als auch zwei Jahre später Teil der Ausstellung ist. Über diese Markierung von Anwesendem und Abwesendem wird es für den Rezipienten, der hier als potenzieller Käufer aufgefasst wird, möglich, retrospektiv nachzuvollziehen welche Werke bei welcher Schau verkauft wurden und prospektiv zu erfahren welche Arbeiten beziehungsweise Kaufoptionen in der angekündigten Ausstellung noch übrig sind. Die Ausstellungen erhalten dadurch in ihrer Abfolge zusehends den Charakter eines ‚Resteverkaufs‘[1], Angebot und Nachfrage werden zu den Hauptkriterien, die das Inventar der Ausstellungen und das Interesse der beteiligten Akteure (Künstlerin, Galerie, Besucher/Käufer) zu bestimmen scheinen.
Die alphabetische Listung[2] der Werke auf den Einladungskarten sorgt für einen pragmatischen Eindruck und garantiert zumindest auf dem Papier eine prinzipielle Gleichberechtigung der einzelnen Arbeiten unabhängig von Faktoren wie Größe, Material oder Preis, die allesamt nicht angegeben sind. Die Einladungskarten treten als Ausstellungsinventar auf und geben keine weiteren Informationen zu den Werken, deren Benennung sich größtenteils einfach nach den materiellen Gegenständen zu richten scheint, aus denen die Arbeiten bestehen [z.B. Glas/Wollknäuel (1993) oder Fußbank (1995)]. Passend dazu tragen auch die Ausstellungen selbst keinen programmatischen, informativen oder auch willkürlichen Titel, sondern sind lediglich über den Zeitraum in dem sie stattgefunden haben beziehungsweise stattfinden werden charakterisiert. Die Informationen zum Ausstellungsort befinden sich auf die Rückseite der Einladungskarten und spielen für die Auflistung der Ausstellungsgegenstände keine Rolle.
Über das Spiel mit Angebot und Nachfrage leisten die Einladungskarten eine kritische Reflexion des Kunstmarkts. Je mehr Werke verkauft werden, desto weniger Werke sind in den nachfolgenden Ausstellungen zu sehen, doch umso größer scheint der generelle Wert von Eichhorns Kunstwerken und der Reiz die verbliebenen anzuschauen und ebenfalls eines zu erwerben. Das bedeutet, dass durch das System ein Anreiz zum Besuch der Ausstellungen geschaffen wird, der letztlich paradox wirkt und sich nicht aus der Qualität der Ausstellung sowie der einzelnen Arbeiten ergibt, sondern vom Warenwert der Kunstwerke und vom Ruhm der Künstlerin abhängt, die beide über Verkaufszahlen bestimmt werden. Interessant ist dabei, dass Maria Eichhorn außerhalb dieser Ausstellungsserie in der Galerie Barbara Weiss eine besondere Rolle im Kunstmarkt einnimmt und Werke schafft, die als konzeptionell und ortsspezifisch zu bezeichnen sind. Diese Arbeiten, die nicht für Galerien bestimmt sind, sind damit zumeist weder materiell beziehungsweise gegenständlich, noch verkäuflich.
Neben dieser Kritik an den kapitalistischen Mechanismen des Kunstmarktes finden sich noch weitere wichtige Elemente von Eichhorns künstlerischen Schaffen im Konzept der Ausstellungen und hier gezeigten Einladungskarten. Es sind die für Eichhorn typischen Aspekte von Serialität und Dauer sowie das notwendige Einwirken äußerer Einflüsse, die es ermöglichen, die Reihe der Ausstellungen, das dahinter stehende Konzept als ein übergreifendes Werk zu betrachten und zu analysieren. Die serielle Struktur gibt einerseits vor, dass weitere Ausstellungen nur möglich sind, so lange nicht alle Werke verkauft wurden. Andererseits verändern sich die einzelnen Ausstellungen, ebenso wie das Erscheinungsbild der Einladungskarten im Verlauf der Zeit allein durch das Eingreifen der Käufer. Während also die Galerie und Künstlerin zu ausführenden Organen werden, die gebunden an das anfangs entworfene Konzept in ihrer Arbeit über die Jahre hinweg den Dynamiken des Marktes unterworfen sind, wird auch aufgezeigt, wie Veränderung und Fortschritt der künstlerischen Arbeit nur durch den Verkauf von einzelnen Werken möglich ist. Dies trifft sowohl für den konkreten Fall von Maria Eichhorns Ausstellungsserie und Einladungskarten zu, als es auch für die Bedingungen künstlerischen Arbeitens ganz allgemein gilt. Gleichsam wird bei dem Werk von Eichhorn offensichtlich, dass jeder Verkauf das verbleibende Ausstellungsprogramm schmälert und einen Teil der künstlerischen Freiheit kostet.
Autorin: Carina Kaminski
Der vorliegende Text wurde im Rahmen des Seminars They Printed It! Einladungskarten, Pressemitteilungen und andere Formen künstlerischer (Selbst-) Vermarktung: Eine Kollaboration mit der Kunsthalle Zürich des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich geschrieben.
[1] Valérie Knoll/Julia Moritz: Demanding Supplies – Nachfragende Angebote. Phase 3:Besides Reproduction, KIM – Art Net Journal, URL: http://kim-art.net/ausstellungen_phase3.html (10.12.15).
[2] Bei einer genauen Betrachtung der Einladungskarten stellt sich heraus, dass das vermeintliche Konzept der Arbeit nicht immer korrekt eingehalten wurde. Auf der Einladungskarte des Jahres 1997 findet sich bei dem Werk Möbelset (Bank, Regal, Tisch)/Radiorecorder/Zahl (1993/95) ein ‚Fehler‘ in der alphabetischen Reihenfolge. Zudem wird die Liste des Ausstellungsinventars im Jahr 1999 um 4 Werke ergänzt, wobei die durchgängige gelbe Unterstreichung im ‚Titel‘ suggeriert, dass auch diese Werke bereits Teil der vorherigen Ausstellungen waren. Es bleibt offen, ob es sich bei diesen Ausbrüchen aus der vorgegebenen Struktur um bewusste ‚Fehler‘ handelt, nach deren Bedeutung gefragt werden kann, oder sie schlicht der frühen und womöglich noch unausgereiften Werkphase zuzurechnen sind.